60 Jahre danach: Abgeschlossenes Projekt zu Lebensgeschichten heimplatzierter Kleinkinder
Die Platzierung von Kleinkindern in Säuglingsheimen hat signifikante Auswirkungen auf die Lebensverläufe und sprachliche und soziale Fähigkeiten
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war in der Schweiz die Unterbringung von Kleinkindern in Heimen unter bestimmten Umständen üblich: Fremdplatziert wurden Kinder von ledigen oder minderjährigen Müttern oder von Müttern, die den Status von Gastarbeiterinnen hatten. Als junge und unverheiratete Mutter ein Kind zu bekommen, galt aus Sicht der Behörden und der Gesellschaft als «liederlich» und führte dazu, dass die Betreuungs- und Erziehungsaufgabe bei der Geburt des Kindes an den Staat übertragen wurde.
Das Marie Meierhofer Institut für das Kind (MMI) untersuchte bereits zwischen 1958 und 1961 431 Kleinkinder, die schon kurz nach ihrer Geburt in Säuglingsheimen platziert wurden. Rund 10 Jahre später dokumentierte das MMI in einer Nachfolgestudie die weitere Entwicklung dieser Kinder. Zeitgleich hat das Kinderspital Zürich von 1953 bis 1973 445 Kinder hinsichtlich ihrer Entwicklung regelmässig untersucht. Nun, 60 Jahre später, wurden die Personen aus beiden Studien auf ihre körperliche und psychische Gesundheit, ihre kognitiven, sozialen und motorischen Fähigkeiten untersucht sowie zu ihrem Lebensverlauf befragt.
Aus diesem Vergleich zeigt sich, dass die Befragten, die in einem Säuglingsheim platziert waren, im Vergleich zu den Befragten, die ihre Kindheit in ihren Familien verbrachten, signifikante Verzögerungen in allen Entwicklungsbereichen aufwiesen. Es zeigten sich grosse Unterschiede in Bezug auf die Lebensverläufe der Personen, sowohl in Bezug auf Bildungs- und Berufsverläufe als auch darin, wie es den Teilnehmenden an der Studie nach eigener Einschätzung gegenwärtig geht und wie sie die Ereignisse aus ihrer Kindheit einordnen. Die Studie hat ebenso gezeigt, dass die Unterbringung von Kleinkindern in Heimen nicht nur die betroffenen Kinder, sondern deren Familie betrifft.