Synthese liegt vor: NFP 76 identifiziert Baustellen in der Schweizer Sozialpolitik
Für Menschen in prekären Situationen ist das Recht auf Mitwirkung und Selbstbestimmung nicht immer gewährleistet. Dies folgt aus dem Nationalen Forschungsprogramm «Fürsorge und Zwang» (NFP 76) des Schweizerischen Nationalfonds.
Mehrere hunderttausend Menschen in der Schweiz waren im 20. Jahrhundert von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen betroffen, viele wurden Opfer von Misshandlung, Missbrauch und wirtschaftlicher Ausbeutung. Dieses Erbe trägt das Schweizer Sozialwesen mit sich. In vielen Bereichen wurden inzwischen Verbesserungen umgesetzt. Gesetzlich legitimierte Massnahmen sind jedoch je nach Situation nach wie vor mit Zwang verbunden oder werden von den Betroffenen als Zwang empfunden. Deren Rechte werden teilweise missachtet. Dies zeigen die Ergebnisse des NFP 76, an dem rund 150 Forschende beteiligt waren.
Das NFP 76 identifiziert Schwachpunkte des Sozialwesens. «Ich hoffe, dass die Behörden diese Baustellen gemeinsam mit Betroffenen und Expertinnen und Experten angehen, um über Chancengerechtigkeit und ihre institutionellen Voraussetzungen nachzudenken und Verbesserungen zu realisieren», sagt Alexander Grob, Präsident der Leitungsgruppe des NFP 76. «Unser System der Fürsorge hat in den letzten Jahren viel gelernt. Nun ist es an der Zeit, die Umsetzung dieses Wissens voranzubringen.»
Die am NFP 76 beteiligten Forschenden identifizierten Ursachen für integritätsverletzende sowie Bedingungen für integritätsschützende Praktiken und analysierten die Auswirkungen auf betroffene Personen. Die Ergebnisse des NFP 76 liegen in drei thematischen Buchbänden und in der Abschluss-Synthese «Eingriffe in Lebenswege» mit zehn Impulsen vor. Diese bildet den Abschluss der Arbeiten, fasst die Ergebnisse aus den Forschungsprojekten zusammen, setzt gezielt Akzente und leitet daraus Impulse ab. Sie ist ein Beitrag der Wissenschaft zur Meinungsbildung und zur politischen und fachlichen Debatte.